Es war früh morgens, als der Bus sich durch die
Straßen und engen Gassen von Nanning, der Provinzhauptstadt von Guangxi
quälte. Dab der Bus noch nicht ausgelastet war, lud man - wie üblich - die am
Straßenrand winkenden Leute noch mit ein. Es war wohl Markt in Nanning und so kam es,
da?viele Mitreisende Mengen von Obst und Gemüse mit sich führten. Es schien wohl nicht
sehr verwunderlich als zwei Männer mit Blechbehältern voll überschwappendem Wasser und
Fischen gefüllt, den Ein- und Ausgang sowie den Durchgangsbereich des Busses lahmlegten.
Um den Fischen den nötigen Sauerstoff zuzuführen wurde die Bodenklappe des Busses
abgeschraubt und die Sauerstoffpumpe an die Autobatterie angeklemmt. Eigentlich eine gute
Idee. Nachmittags war es dann so weit, wir waren in Ningming angekommen. Der ideale
Ausgangspunkt zur Reise nach den historischen Felsmalereien am Huashan (Blumenberg).
Das Einzige was ich wußte, war, da?man den Blumenberg nur mit dem Schiff erreichen konnte und so fuhr ich erst mal an den Flu?Mingjiang. Dort lagen einige kleine Fischerboote am Ufer. Nach Aushandlung des Fahrpreises mit dem Bootsmann ging es auch schon los. Die Landschaft entlang des Flusses erinnerte sofort an die Gegend, die man von Guilin bis Yangshuo kennt, gemischt mit Eindrücken aus einer Yangtse Fahrt. Aus der Ebene steil aufragende Kalksteinberge, die als Bergketten bis weit ins Land hinein reichen. Das Leben am Flußufer geht seinen Weg. Ochsen werden getränkt, vereinzelt sieht man Goldwäscher, Wäsche wird gewaschen und einfache Fähren überqueren den Flu? An mehreren Steinwänden sieht man schon Felsmalereien verstreut erscheinen. Nach einigen Stunden sind wir angekommen, an dem in einer Flußbiegung liegendem Blumenberg.
Rostrot sind die Figuren, die eine 221 m breite und 40 m hohe Fläche einnehmen und nicht weniger als 1.818 Figuren, deren größte 3 m, die kleinste nur 30 cm hoch, den Berg übersäen. Abgebildet sind menschliche Figuren mit erhobenen Armen, die sogenannten "Beter" der Felsmalerei. Die betende Figur ist das zentrale Thema, auch wenn daneben noch Tiere, Vögel, Schiffe, Messer, Schwerter, Glocken und Kreise (Tamburine) vorkommen. Die Pose ist immer die gleiche: erhobene Arme und gespreizte Beine. Die Formen hingegen wechseln: die einen haben runde Köpfe, eine breite Brust und eine schmale Taille; die anderen haben rechteckige Köpfe und Hälse und eine dreieckige Brust. Alle sind aber nackt und tragen Kopfschmuck in unzähligen Variationen. Archäologischen Forschungen zufolge schätzt man das Alter der Malereien auf ungefähr 2.000 - 3.000 Jahre. Erst 1950 wurden die Felsmalereien am Huashan entdeckt, doch die Aufzeichnungen gehen bis auf das 15. Jahrhundert zurück. Ihre Herkunft und Bedeutung liegen aber noch weitgehend im dunkeln. Wissenschaftler ordnen sie dem Stamm der "Luoyue" zu, die dem Volksstamm der "Baiyue" angehörten und als Vorläufer zahlreicher heutiger Minderheiten gilt. Seit Jahrhunderten steht der Huashan im Mittelpunkt von Aberglauben und Legenden, diese reichen von einem Helden namens Mongka über Geister, die zwischen den Felsen leben und die Malereien dadurch nur zu bestimmten Zeiten sichtbar sind, bis zu der Geschichte, das Volk hätte durch die immer wiederkehrenden Überschwemmungen die Felsmalereien zur Abwendung von den dämonischen Kräften der Überflutung angebracht.
Diese Theorie schien mir noch am glaubhaftesten und so ging ich in das naheliegende Haus, das ein kleines Museum mit Bildern und Erklärungen zum Huashan beinhaltete, bevor ich ins Boot stieg und wir die schöne Urlandschaft zurückfuhren.
D. Muckel