Fragen Sie einen Kanadier nach Dr. Norman Bethune, Sie ernten in der Regel nur
Kopfschütteln. Fragen Sie einen Chinesen nach Bai Jiu'en (Pai Chiu-en), so hören Sie
einen Lebenslauf. Dies ist Mao zu verdanken, der Bethune seinerzeit als großen Kämpfer
und Vorbild würdigte.
Die Verehrung für Bai Jiu'en (Pai Chiu-en) überlebte Mao und die wechselvollen Perioden
Chinas jüngerer Geschichte.
Henry Norman Bethune wurde am 03. März 1890 in Gravenhurst, einem kleinen Ort im
Norden der kanadischen Provinz Ontario als Sohn eines prebyterianischen Pfarrers geboren.
Dieses Haus wurde in den siebziger Jahren restauriert und dient heute als einziges Museum
in Kanada, wo Dr. Bethune gewürdigt wird.
Von 1909 bis 1916 studierte Bethune Medizin an der Universität von Toronto, unterbrochen vom 1. Weltkrieg, wo er als Sanitäter in einem Feldlazarett in Frankreich eingesetzt und in der Nähe von Ypres schwer verwundet wurde.
Nach der Dissertation im Dezember 1916 arbeitete Bethune in einer Privatpraxis, auf einem Flugzeugträger und an Kliniken in England und Kanada.
In England blieb er einige Jahre und heiratete dort, inzwischen 33jährig, die 12 Jahre
jüngere Frances Campbell Penny, Ableger einer vermögenden Edinburgher Familie.
Nachdem deren Erbe ausgegeben war man lebte nicht gerade bescheiden schlugen
sich beide nach Detroit durch und Bethune eröffnete hier eine Praxis, wo er durch seine
Patienten erstmalig mit sozialer Not konfrontiert wurde.
Übermäßige Arbeit zehrte an Bethunes Kräften, er infizierte sich und bekam eine
schwere Lungentuberkulose. Den Tod vor Augen, zwang er Frances zu Scheidung. In einem
Zimmer des Trudeau Sanatoriums in Saranac Lake warteten 1926 vier Patienten, darunter drei
Ärzte auf den Tod. Bethune bemalte die Wände des Zimmers mit einer Serie von Zeichnungen
mit dem bezeichnenden Titel: "Der Verlauf einer Tuberkulose Drama in einem Akt
und neun schmerzhaften Szenen."
Eines Tages fand Bethune in der Bibliothek des Sanatoriums ein neues Buch "Die Chirurgie der Lungentuberkulose" von Dr. J. Alexander. Die Erkenntnis, da?evtl. eine Operation sein Leben retten könnte, richtete Bethune auf. Nach dem Studium aller erreichbaren Literatur überzeugte er die Ärzte des Sanatoriums. Am 27. Oktober 1927 führte Dr. Warren bei Bethune eine operative Stillegung der betroffenen Lungenhälfte und eine Quetschung des Zwerchfellnerves durch (artifizieller Pneumothorax + Quetschung des N. phrenicus), eine Methode, die zu diesem Zeitpunkt revolutionär, heute im Zeitalter der Tuberkulostatika natürlich überholt ist. Das Wunder geschah und Bethune begann sein zweites Leben.
Er entschlo?sich, dieses der Lungenchirurgie zu widmen. Zwischen 1927 und 1935 wurde
Dr. Bethune einer der bekanntesten und erfolgreichsten Lungenchirurgen
Nordamerikas.
Dabei entwickelte er neue Operationsmethoden und Instrumente und veröffentlichte
mindestens 16 Artikel in renommierten Fachzeitschriften.
Bethunes Eifer, seine Ungeduld, sein mitunter durchbrechender Jähzorn, die
unkonventionelle Art, das Hinwegsetzen über alle Bedenken und Ratschläge im Interesse
einer in Angriff genommenen Sache und nicht zuletzt Versuche an sich selbst brachten ihm
nicht nur Freunde unter den Kollegen ein. Aber er trug mit seinem Engagement wesentlich
zur Entwicklung der Lungenchirurgie bei.
Von 1933 an war er Chefarzt der Lungenabteilung des Sacre Coeur Hospitals bei Montreal
sowie Gastdozent und operateur in vielen renommierten Kliniken Nordamerikas.
Zunehmend aber kam er zu der Erkenntnis, da?die Tuberkulose, deren bakterielle Erreger
der Deutsche Robert Koch Jahre zuvor entdeckt hatte, vor allem soziale Ursachen hat.
Er versuchte, diese sozialen Ursachen zu ergründen und forderte eine gesetzliche
Krankenversicherung (die es damals in Kanada noch nicht gab) und die Verbannung des
Profits aus der Medizin.
Eine Teilnahme an einem Fachkongre?1935 in der Sowjetunion lie?ihn erkennen,
da?dieses Land zwar arm war, aber sich entsprechend seinen Möglichkeiten um alle
Menschen kümmerte.
Zurückgekehrt nach Kanada wurde er 1935 Mitglied der KP. Zwei Jahre später auf einer
Kundgebung als "Knecht Moskaus" verteufelt, antwortete er: "Ich bin sicher,
man würde auch Christus einen Knecht Moskaus nennen, sollte er je wieder auf Erden
erscheinen, um den Menschen Nächstenliebe zu predigen."
1936 errang die Volksfront einen Sieg bei den Parlamentswahlen in Spanien, Franco nahm mit
Unterstützung Deutschlands und Italiens den Sturz der Regierung in Angriff. Auf
Bitte des kanadischen "Committee to Aid Spanish Democracy" gab Bethune über
Nacht alle seine bestbezahlten Positionen und Ämter auf und ging an der Spitze einer
Ambulanz nach Spanien. Als Oberst der Republikanischen Armee organisierte er einen mobilen
Blutspendedienst. Nach Irritationen, die nicht zuletzt auf Bethunes Charakter
zurückzuführen waren, kehrte er 1937 nach Kanada zurück.
Inzwischen hatte sich die Lage in China verschärft. Die japanischen Aggressoren
rückten Schritt für Schritt nach Süden vor und die Guomindang-Truppen unter Chiang
Kaichek (Jiang Jieshi) zogen sich an allen Fronten zurück.
Am 08.Januar 1938 verlie?Bethune den amerikanischen Kontinent, den er nie wiedersehen
sollte. In China traf Bethune mit Zhou Enlai und Mao Zedong zusammen. Hierbei
unterbreitete er Vorschläge für die Entwicklung des Sanitätsdienstes der 8. Roten
Armee.
Mao war insbesondere davon angetan, da?nach Bethunes Ansicht 75 Prozent der
Schwerverwundeten durch sofortige Operation wieder hergestellt werden könnten.
Bethune arbeitete in China unter unsagbar komplizierten Bedingungen. Es fehlten
Medikamente und Instrumente sowie ausgebildetes Personal, die hygienischen Bedingungen
waren katastrophal. General Nie Rongzhen ernannte Dr. Bethune zum Chefarzt der 8. Roten
Armee und zum Ärztlichen Berater der Regierung für den Bezirk von Jin Cha Ji. Neben der
täglichen Versorgung der Verwundeten und Kranken bildete er medizinisches Personal aus,
erarbeitete schriftliche Anleitungen und richtete ein Musterspital ein. Innerhalb
von 4 Monaten operierte Bethune nahe dem Schlachtfeld 315 Patienten und baute 13
Sanitätsstellen auf. Einmal versorgte er 69 Stunden hintereinander 115 Verwundete, ein
anderes Mal spendete er sein eigenes Blut. Am 3. März 1939, seinem Geburtstag, operierte
er bis zum kommenden Morgen 19 Schwerverletzte.
In einem aus China nach Kanada gelangten Artikel, der in "The Clarion" erschien, schrieb Bethune: "Eine Million Menschen kommen von Japan, um eine Million chinesischer Menschen zu töten. Hat der Japaner einen Nutzen vom Tod des Chinesen? Wie ist es möglich, da?ein paar reiche Menschen eine Million arme Menschen davon überzeugt haben, da?sie eine andere Million von Menschen töten, die genau so arm wie sie selber sind, damit die Reichen noch reicher werden? Sie finden es billiger, zu stehlen als zu handeln, leichter, zu töten als zu kaufen. Das ist das Sekret dieses Krieges. Es ist das Sekret aller Kriege. Profit... blutiges Geld."
Am 28. Oktober 1939 glitt Bethune bei einer Operation mit dem Skalpell ab und schnitt sich in den dritten Finger der linken Hand. Es entwickelte sich eine Infektion, eine Sepsis, an deren Folgen Dr. Bethune im Alter von 59 Jahren am 12. November 1939 verstarb.
Antibiotika hätten ihn retten können, aber die gab es in China nicht. In einem seiner letzten Briefe schrieb Bethune: "Die letzten beiden Jahre waren die bedeutendsten und schönsten meines Lebens. Ich war manchmal einsam, aber an der Seite meiner prächtigen Kameraden habe ich das höchste Glück gefunden..."
Weitergehende Informationen finden Sie in dem Buch "Arzt auf drei Kontinenten" von Ted Allan und Sydney Gordon, welches in beiden deutschen Staaten erschien. 1990 wurde Bethunes Leben in einer Koproduktion Kanada/Frankreich/China verfilmt (Bethune: The Making of a Hero; in deutscher Synchronisation: Bethune: Ein Arzt wird zum Helden 1997 z.B. im ZDF) mit Donald Sutherland als Dr. Bethune. Einige realistischere Bücher als das oben genannte erschienen in Kanada und sind teilweise im Museum in Gravenhurst erhältlich (in Englisch). Wenn Sie während einer Kanadareise durch Montreal kommen, so finden Sie dort in der Innenstadt eine Statue von Dr. Bethune. Dies ist keine Geste der kanadischen Regierung, den bekanntesten Kanadier zu ehren, sondern ein Geschenk der VR China an Kanada.
Verschlägt es Sie einmal nach China, so finden Sie eine Gedenkstätte und das International Bethune Peace Hospital in Shijiazhuang, der Hauptstadt der Provinz Hebei, nur wenige Stunden Zugfahrt von Peking (Beijing) entfernt.
Wollen Sie gar Bethunes Wirkungsstätten, das Haus, in dem er starb, den Friedhof der
Märtyrer, auf dem er neben dem indischen Arzt Dr. Kotnis und der US-amerikanischen
Krankenschwester Jean Ewen sowie Tausenden Gefallenen begraben ist und weiteres sehen, so
kann ich Ihnen spezielle Touren über chinesische Reisebüros mit deutscher oder
englischer Führung vermitteln, Sie haben dabei die einzigartige Gelegenheit, China abseits von den Touristenzentren kennenzulernen.
Machen Sie die Probe aufs Exempel, gehen Sie in ein China-Restaurant
und fragen Sie einen Chinesen nach Dr. Norman Bethune oder besser nach Bai Jiu'en (Pai
Chiu-en), wie sein chinesischer Name lautete eine positive Antwort und ein
Erstaunen sind Ihnen sicher. Haben Sie Interesse an weiteren Informationen zu Dr.
Bethune oder haben Sie Fragen, Sie können sich jederzeit an mich wenden.
Dr. med. Gerd Hartmann
Joachimsthaler Str. 7 d
D 16230 Britz
Tel.: +49 3334 420525, Fax: +49 3334 420854
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